Vortrag vom 22. Oktober 2020 von Prof. Dr. Caterina Maderna (Universität Heidelberg): Von Rom nach Erbach bis nach Heidelberg, Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754 - 1823) und seine Antiken.

Erbacher Schloss
Erbacher Schloss

Am 22.10.2020 hatten wir unseren ersten Internetvortrag, welcher von Frau Prof. Dr. Caterina Maderna (Institut für Klassische Archäologie (Universität Heidelberg) mit dem Titel "Von Rom nach Erbach bis nach Heidelberg, Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754 – 1823) und seine Antiken" gehalten wurde. Der Vortrag wurde in Kooperation mit dem Institut für Klassische Archäologie Heidelberg und dem Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie Heidelberg veranstaltet.

Nach einer Begrüßung des Publikums durch Herrn Prof. Dr. Maran präsentierte Herr Dr. Carsten Casselmann den Verein ArchaeNova mit seinen Zielen und Plänen. Anschließend stellte Herr Prof. Dr. Hölscher die Referentin Frau Prof. Dr. Caterina Maderna vor.

 

Frau Prof. Dr. Maderna beleuchtete dann anhand der Biographie von Franz I. Garf zu Erbach-Erbach (1754 – 1823) die Bedeutung seiner Sammlungen und dessen Bedeutung als Landesherr (1775 - 1806/u. a. Einführung der Elfenbeinschnitzerei Erbach), Staatsmann (Wiener Kongress 1814/15), Sammler, als historisch interessierte Mensch und Kunstliebhaber - eingebettet in seinem geistesgeschichtlich-historisch-kulturellen Kontext.

U. a. ließ der mit von Andreas Lamey (1726-1802/u. a. Leiter der Kurfürstlichen Antikensammlung Mannheim) geprägte Franz I. Ausgrabungen am Odenwaldlimes vornehmen. Er studierte Staatswissenschaften, Geschichte und Altertumskunde in Straßburg (Johann Daniel Schöpflin (Staatsrechtler, Historiker etc./1694-1771), Lausanne und Paris und besuchte im Rahmen seiner Grand Tour (1771 - 1774) u. a. London, Brüssel, Den Haag, Berlin und Dresden und 1774 – 1775 Italien (u. a. Verona, Piacenza, Padua, Venedig, Mailand, Florenz, Rom, Neapel, Pompeji und Herculaneum).

 

Besonders auf seiner zweiten Italienreise 1791 (2. Jan. – 23. Juni/u. a. Florenz, Rom und Umgebung, Neapel, Pompeji und Herculaneum) entwickelte Franz I. eine rege Sammeltätigkeit an Antiken (u. a. dreiunddreißig Marmorskulpturen, über einhundertsiebzig Vasen, griechisch-etruskische Kleinbronzen, Waffen, einige Mosaikreste und Aegyptiaca).

 

U. a. ließ Franz I. Ausgrabungen auf dem Gelände des Nummeruskastell Hesselbach (Odenwaldlimes) vornehmen.
U. a. ließ Franz I. Ausgrabungen auf dem Gelände des Nummeruskastell Hesselbach (Odenwaldlimes) vornehmen.

Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754 - 1823). Zeitgenössisches Bild von Johann Adam Schlesinger (1759 - 1829), Schloss Erbach (Foto Maderna)
Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754 - 1823). Zeitgenössisches Bild von Johann Adam Schlesinger (1759 - 1829), Schloss Erbach (Foto Maderna)

U. a. traf er auf diesen Reisen etliche bedeutende Persönlichkeiten seiner Zeit wie Franz Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778), Francois-Marie Arouet, genannt Voltaire ( 1694 – 1778), Denis Diderot (1707 – 1771), Jean Baptiste Le Rond d`Alembert (1717 – 1783), Honoré Gabriel Victor de Riqueti, comte de Mirabeau (ab 13.07.1789 Marquis/1749 – 1791), Kaiser Joseph II. (1765 – 1790), den sächsisch-gothaiischen und russischen Hofrat Johann Friedrich Reiffenstein (1719 – 1793/Freund Winckelmanns), den päpstlichen Kommissar der Altertümer Ennio Quirino Visconti (1751 – 1819) und den englischen Gesandten Sir William Hamilton (1730–1803/Neapel).

 

 

 

Des Weiteren hatte er Kontakt zu dem Philologen, Orientalisten und Mythenforscher, dem Heidelberger Professor Friedrich Creuzer (1771 – 1858), unter dessen Namen Franz I.  auch publizierte (z. B.  Bronzene Victoria). Friedrich Creuzer  zählt zu den geistigen Vätern des 1866 begründeten  Archäologischen Instituts in Heidelberg.

 

Die durch die zweite Italienreise (1791) beträchtlich vermehrten Antiken des Grafen wurden teilweise, später auch mit weiteren antiken Objekten, in eigens dafür hergerichteten Räumen (Anfang 19. Jh.) im Erbacher Schloss in drei Römischen Zimmern  aufgestellt (Skulpturen im Empfangsraum (Römerzimmer 2) und seinem Arbeitszimmer (Römerzimmer 1)/Vasen und wohl Gipsabgüsse des Apollon von Belvedere und der Venus von Medici im Schlafzimmer, dem Hetrurisches Kabinett (Römerzimmer 3)). Der Rittersaal und vier darüber liegende Zimmern wurden mit Mittelalterlichen Rüstungen, Waffen und Glasmalereien bestückt. Daneben sammelte Franz I auch zeitgenössische und historische Gewehre und Jagdwaffen, Hirschgeweihe (über 600 Stück), Münzen, Kunstgegenstände und prähistorische Funde. Eine sogenannte Grabkapelle enthielt seit 1810 den Sarkophag von Einhards (770 – 840 n. Chr./Biograph Karls des Großen) auf den sich die Grafen zu Erbach-Erbach zurückführen.

Teile der Hirschgeweihsammlung im Erbacher Schloss
Teile der Hirschgeweihsammlung im Erbacher Schloss

Empfangszimmer (Römerzimmer I/Erbacher Schloss) (Foto Maderna)
Empfangszimmer (Römerzimmer I/Erbacher Schloss) (Foto Maderna)

Die Römischen Zimmer des Erbacher Schlosses versuchte Franz I. nach vornehmen, von ihm in Rom besuchten Villen und Palazzi und nach antiken Vorbildern zu gestalten (Darstellungen antiker Vasenbilder, Marcellustheater (Rom), antike Stuhlformen ("Trono Corsini"/1. Jh. v. Chr./Rom), Nachbildungen römischer Kandelaber etc.). Beispielsweise hat Franz I. zur Gestaltung der Wände seines Arbeitszimmers (Römerzimmer 1) die Wände eines Raumes der Villa von Kaiser Hadrian (117 – 138 n. Chr./Tivoli) als Vorbild genommen. In seinem Empfangszimmer (Römerzimmer 2) stellte er gute und schlechte Kaiser gegenüber u. a. die "guten" Kaiser Traian (98 – 117 n. Chr.), Titus (79 – 81 n. Chr.) und Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.) den "schlechten" Kaisern Caracalla (211 – 217 n. Chr.) und Commodus (180 – 192 n. Chr.).

 

 

 

In späterer Zeit ist leider die Einrichtung der Räume von seinen Nachkommen teilweise stark verändert worden. Besonders die ursprünglich antiken Vorbildern nachempfundenen neun Pseudosiegesdenkmäler ("Trophéen") im Empfangsraum (Römerzimmer 2) präsentierten antiken Waffen  sind heute anders dargeboten. Die antiken Waffen sollten die Entwicklung antiker Waffen darstellen und als Sinnbild der Vergänglichkeit militärischer Macht - letzteres möglicherweise gegen Napoleon gerichtet – gelten. Nur das achte der "Trophéen" ist noch halbwegs erhalten. Sehr berühmte Stücke seiner Sammlung sind u. a. der sogenannte Helm aus der Schlacht von Cannae (216 v. Chr/Hannibal (247 – 184 v. Chr.)), einer der schwersten römischen Niederlagen, und eine Büste Alexanders des Großen (356 – 323 v. Chr.), nach welcher in der Wissenschaft diese Art der Büstendarstellung Alexanders als Büstentyp "Alexander Erbach" bezeichnet wurde.

 

Postum errichtetes Denkmal von  Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754 - 1823) als Togaträger vor dem Erbacher Schloss
Postum errichtetes Denkmal von Franz I. Graf zu Erbach-Erbach (1754 - 1823) als Togaträger vor dem Erbacher Schloss

Die - auch auf altem Hausbesitz zurückgehenden - Sammlungen Fran I. gehören insgesamt gesehen in den Bereich des Typus der sogenannten "Aufklärerischen Sammlungen", bestehend aus den Bereichen Natur, Technik, Antike, Historie und Malerei. Die Natur wird in den Erbacher Sammlungen durch die Hirschgeweihsammlung, die Technik durch dessen zeitgenössische und historische Waffensammlung und die Antike und Historie u. a. durch seine Antikensammlung und Mittelaltersammlung abgedeckt. Ob der Bereich der Malerei in Erbach von Franz I. berücksichtigt wurde, ist noch ein Forschungsproblem.

 

 

 

Die in Katalogbänden von Franz. I. publizierten Sammlungen von Franz I. spiegeln das im 18. Jahrhundert entwickelte Konzept von Geschichtlichkeit, nämlich Vergangenheit zu rekonstruieren und sämtliche geschichtliche Hinterlassenschaften als gleichwertige Quellen zu betrachten, wieder. Dies verwirklichte Franz I., indem er Vasen, Ägyptiaca, Skulpturen etc. mit den weniger hochwertigen Alltagsfunden aus seinen Ausgrabungen am Odenwaldlimes etc. kombinierte. In Ausschnitten wurde die römische Geschichte mit ihren Herrschern, sowie die historischen Wurzeln unseres Raumes veranschaulicht.

 

Eulbacher Park, Tor vom Kastell Würzberg
Eulbacher Park, Tor vom Kastell Würzberg
Obelisk (Eulbacher Park)
Obelisk (Eulbacher Park)

Noch zu erwähnen ist der ab 1802 von Franz. I. angelegte Eulbacher Park (Englischer Garten) in Form eines Freilichtmuseum mit dort aufgestellten Originalen von Weihereliefs, Inschriften, Viergöttersteinen, den Lagertorrekonstruktionen der Kastelle Eulbach und Würzberg und der verkleinerten Reproduktion des von Kaiser Augustus aus Ägypten (Heliopolis) nach Rom gebrachten und im Circus Maximus aufgestellten Obelisken.

 

Wir danken den Teilnehmern (einer war sogar aus Australien zugeschaltet), Frau Prof. Dr. Caterina Marderna für den interessanten Vortrag, Herrn Prof. Dr. Tonio Hölscher für die Vorstellung der Referentin, Herr Dr. Carsten Casselmann für die Vorstellung des Vereins ArchaeNova, Herrn Prof. Dr. Joseph Maran für die technische Ermöglichung des Vortrages und seine souveräne Moderation und allen, welche zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.

Text: Karl-Heinz Halbedl. Fotos: Caterina Maderna, Oliver Memmel, Christoph Gerber, Karl-Heinz Halbedl. Seitenbearbeiter: Karl-Heinz Halbedl